Der Neid der Füchse

Es neidete der helle Fuchs dem dunklen Fuchs, dessen böse schwarze Augen einen sehr wachen Geist bargen, seinen Erfolg auf der Jagd. Wenn sie einander begegneten, dann freundschaftlich und achtungsvoll, denn beide waren große Künstler der Höflichkeit, und so hielt sie die große Zahl der weniger intelligenten und weniger eleganten Waldbewohner für die besten Freunde. Eine solche Vorführung, von einem einfältigen Hasen mitangesehen, genügte schon, diese Legende in die Welt zu setzen. Doch in Wirklichkeit mieden sie einander. Grund dafür war der Neid, der nämlich nicht nur den Anblick des dunklen Fuchses dem hellen unerträglich machte. Vielmehr, es wuchs auch in der Seele des dunklen die schlingernde Giftpflanze empor, denn er neidete dem hellen, der ein makellos glattes, rotorange glänzendes, weiches Fell hatte, wie sich ihm die Herzen aller Füchsinnen kampf- und mühelos ergaben. Beide hatten sie keinen anderen Gedanken als an den leuchtenden Besitz des anderen.

Wie die Erweckung in ein zweites Leben

Um sich selbst einen Beweis gegen die Kleinheit und Armut, in welche sie sich damit versetzt fühlten, zu geben, verfolgten sie ihre Spezialitäten noch energischer. Der dunkle jagte und mordete unermüdlich – wirklich ohne zu schlafen, wollte man glauben – Mäuse, Hasen, Dachse und alles, was ihm unter die Klauen kam, und der helle verfuhr nicht besser und milder mit den hingebungsvollen Herzen. All das führte zu nichts und wieder nichts. Beide hatten, um sich von dem Neid abzulenken und sich vor der Demütigung zu bewahren, das, was ihre größte Freude im Leben gewesen war, ausgehöhlt und zerstört. Der dunkle verlor von einem Tag auf den nächsten die Lust zu jagen. Er lag herum, ohne jede Sorge um Versteck und Schutz. Der Hunger kam, wurde stärker, doch er rührte sich nicht. Mit müden Schritten war der helle, etwas Beute im Maul, gerade auf dem Rückweg von einem Streifzug, als er ihn sah. Bei allem manierlichen Lächeln und allen freundlichen Worten, die der dunkle vorbrachte, konnte er doch – auf Grund seiner körperlichen Schwächung und inneren Gleichgültigkeit gegenüber seiner eigenen Würde – seine allgemeine Betrübnis und den brennenden Hunger nicht verbergen. Der helle, der hier die Niedergeschlagenheit seiner Seele gespiegelt fand, bot ihm an, seine Beute mit ihm zu teilen. Der dunkle stimmte zu, doch es war nicht mehr, als ein mageres Mäuschen.

„Das ist alles, was du gefangen hast?!”, rief der dunkle.

Darin war kein Hohn, sondern bloß die ehrliche Enttäuschung des Hungrigen. Trotzdem rief der helle: „Was willst du von mir?! Ich kann es eben nicht so gut wie du! Mach es doch selbst, immerhin tust du dir geradezu lächerlich leicht dabei!”

Der dunkle Fuchs war verwirrt. Hätte nicht der große Prinz über jedes seiner Worte hochmütig hinweggehen müssen? Da sprang er auf, bedankte sich anmutig für das angebotene Mäuschen, sagte aber, es sei in der Tat unsinnig, wenn er sich nicht selber um die Jagd kümmere. Habe man, unter Füchsen, je von etwas anderem gehört? Schon war er auf und davon. Zuerst wollte er ein kleines Tier fangen, gegen den Hunger, und dann mit erneuerter Kraft einem kecken Hasen auflauern, der ihn durch einfältige jugendliche Dreistigkeit bereits seit einer Weile ärgerte. Die Einsicht, dass der helle ihm seine Begabung und Kunst neidete, und wie einzigartig wertvoll sie doch waren, war über ihn gekommen wie die Erweckung in ein zweites Leben. Er wusste auch, dass der helle sich ganz in derselben Lage befand, wie er vorhin, dass ihn sein Verführertalent nicht mehr beglückte, und dass ihm nicht mehr fehlte, als die Außergewöhnlichkeit dieser Gabe zu begreifen, um wieder ganz frischen Lebensmut zu schöpfen. Diese Erkenntnis teilte er ihm allerdings nicht mit, denn teilweise wollte er seinen Neid nicht zugeben und teilweise war er einfach von boshafter Art.